Sich und andere schützen
Weltweit fordert das Coronavirus Politik und Pharmazie gleichermaßen heraus. In unserem Alltag ist die Schutzausrüstung eins der wichtigsten Mittel gegen die Pandemie. Sie schützt uns alle – ganz besonders das medizinische Fachpersonal – und trägt dazu bei, das gesellschaftliche Leben in einer Ausnahmesituation aufrechtzuerhalten.
© Morsa Images
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Corona hat selbst unsere einfachsten Handgriffe verändert: Neben Smartphone und Schlüsselbund sind Masken und Desinfektionsflaschen zu unseren selbstverständlichen Begleitern geworden. In der besonderen Situation retten sie ein Stück gesellschaftlicher Normalität. Denn nur mit ihnen sind eine (wenn auch eingeschränkte) Teilhabe am sozialen Leben und Tätigkeiten wie das Einkaufen, Arztbesuche oder Behördengänge in der aktuellen Infektionslage weiterhin möglich. So unscheinbar z. B. eine einzelne Atemmaske wirken mag, so wichtig ist das grundsätzliche Vorhandensein dieser „Accessoires“ in millionenfacher Stückzahl für die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft. Ohne sie müsste das öffentliche Leben noch weitaus stärker eingeschränkt werden.
Diese Produkte für unseren Alltag – wie auch die Profi-Ausrüstungen für das Personal in Kliniken, Pflegeheimen und Teststationen – stammen von der Chemie. Sie und die Sparte der kunststofferzeugenden sowie der kunststoffverarbeitenden Industrie haben ihre Produktion für die dringend benötigte Schutzkleidung deutlich nach oben gefahren.
Doch wie und womit genau trägt die Chemiebranche zu unserer Sicherheit in Pandemiezeiten bei?
Die persönliche Schutzausrüstung

© Robert Kneschke
Persönliche Schutzausrüstung (PSA) muss meist von bestimmten Berufsgruppen getragen werden, um sich vor gesundheitlichen Gefährdungen oder Verletzungen zu schützen. Im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie dient sie dem Schutz des Trägers vor infektiösen Aerosolen und beugt außerdem einer Weiterverbreitung des Virus durch die Person und ihrer Kleidung vor. Beide Funktionen kann sie nur erfüllen, wenn sie korrekt angelegt, getragen und nach der Nutzung fachgerecht entsorgt wird.
Zu einer solchen Schutzausrüstung gehören Schürzen, Kittel und komplette Schutzanzüge, aber auch Handschuhe und Schutzbrillen sowie die mittlerweile weit verbreiteten Atemschutzmasken.
Das Coronavirus wird durch Aerosole von Person zu Person weitergegeben. Doch was sind Aerosole genau?
Als Aerosole bezeichnet man Mischungen aus festen oder flüssigen Partikeln („Schwebeteilchen“) in einem Gas oder Gasgemisch (z. B. in Luft). Diese Partikel können unterschiedlich groß sein, von einem Nanometer (nm) bis zu einigen Hundert Mikrometern (µm). Auch wenn der Übergang physikalisch fließend ist, spricht man in der Medizin bei Partikelgrößen unter fünf Mikrometern von Aerosolen, erst darüber von Tröpfchen, die man zum Teil sogar sehen kann.
Aerosole können auch Krankheitserreger wie Viren und Bakterien enthalten und infektiös sein, wenn sie eingeatmet werden oder in Kontakt mit Schleimhäuten (z. B. Augenbindehaut) kommen. Im Falle des Coronavirus gilt das auch bei infizierten Personen, die keine Symptome zeigen.
Aerosole treten beim Ausatmen in die nähere Umgebung aus, also beim normalen Atmen und Sprechen, mehr noch beim Husten und Niesen sowie beim Singen, Schreien, oder beim Sport oder körperlicher Arbeit. Mit der Heftigkeit des Ausstoßes steigt auch die Größe der abgesonderten Partikel. Coronaviren selbst sind zwar nur 0,12-0,16 µm groß, treten aber oft als Teil von größeren Partikeln auf. Das ist deshalb wichtig, weil größere Partikel zwar besonders viele Erreger in sich tragen können, aber schnell zu Boden sinken. Auf dieser Erkenntnis fußt die Anti-Corona-Regel, einen Abstand von 1,5 Metern zur nächsten Person einzuhalten. Allerdings können kleinere, unter 10 µm messende Partikel Stunden oder gar Tage in der Luft schweben und somit ein länger währendes Infektionsrisiko darstellen.
Maske ist nicht gleich Maske
Die so genannten Alltagsmasken oder Community-Masken erfüllen nicht die Normen für persönliche Schutzausrüstung und sind keine Medizinprodukte. Sie werden aus unterschiedlichen Stoffen und Farben in Kleinserien oder Eigenregie gefertigt. Das mag Modefans freuen und einen Rest an Individualität beim ansonsten anonymisierenden Maskentragen ermöglichen.
Grundsätzlich bieten sie aber im Vergleich zu den genormten Produkten keinen ausreichenden Infektionsschutz. Denn die Stoffe sind zu durchlässig und die Alltagsmasken sitzen im Gesichtsbereich oft nicht abdichtend.
Gut fürs Gegenüber: OP-Masken
Wer sie früher erblickte, arbeitete in einem Reinraum oder lag auf einem OP-Tisch. Heute reicht ein kurzer Spaziergang, um den rechteckigen, zart hellblau oder grün leuchtenden Masken zu begegnen. Diese chirurgischen Masken sind offizielle Medizinprodukte, deren Wirksamkeit DIN-geprüft ist.

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Was oft übersehen wird: Auch wenn sie professionellen Anforderungen genügen, dienen sie nicht dem Eigenschutz des Trägers. Dazu sitzen die Masken zu locker, sodass viren- oder bakterienhaltige Luft ungehindert eingeatmet wird. Nur gegen Tröpfchen oder Spritzer (z. B. Körperflüssigkeiten bei Operationen) bietet sie Schutz.
Ihre Aufgabe ist es vielmehr, Patienten vor Infektionen durch Aerosole und Tröpfchen zu schützen, die das Personal in Kliniken, Arztpraxen und Pflegeheimen ausatmet. Für diesen Fremdschutz stellen die OP-Masken eine Barriere zwischen Träger und Umgebung her. Das gelingt durch ihren Aufbau aus drei Lagen. Alle Schichten bestehen aus Vliesstoffen aus Fasern des Kunststoffs Polypropylen (PP). Die eigentliche Filterschicht ist jedoch die mittlere. Sie wird aus äußerst feinen Kunststofffasern gefertigt und lässt Feuchtigkeit nur schwer passieren.
Chirurgische Masken vom Typ I halten bereits mehr als 95 Prozent bakterien- und virenhaltiger Aerosole zurück, Typ II und IIR sogar über 98 Prozent. Neben dem Vlies wirken auch elektrostatische Effekte filternd. Sie halten Tröpfchen auf, die aufgrund ihrer Größe zumindest die äußere Maskenschicht durchdringen könnten.
Sichere Sache für beide Seiten: FFP-Masken

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Ein ganz anderes Schutzniveau bieten FFP-Masken (engl.: Filtering Face Pieces). Sie schützen auch den Träger und wirken ohne Ausatemventil sogar in beide Richtungen beim Ein- und beim Ausatmen. Neu sind diese Halbmasken oder Feinstaubmasken nicht. Eingesetzt wurden sie vor Corona aber überwiegend gegen Stäube, die z. B. bei Bau- und Renovierungsarbeiten entstehen.
FFP-Masken sind Teil der persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Ihre Filterleistung lässt sich anhand ihrer Klassifizierung ablesen: FFP1-Modelle filtern 78 Prozent der Partikel aus der Umgebungsluft, FFP2-Masken 92 Prozent und FFP3-Varianten sogar 98 Prozent (jeweils Mindestangaben). Bei der Behandlung von Covid-19-Patienten sind FFP2-Masken das Minimum.
Im Alltag angekommen
FFP2-Modelle für den Eigenschutz haben sich durch Corona auch abseits des medizinischen Fachpersonals durchgesetzt. Sie sind Teil unseres Alltags geworden und viele Menschen nutzen diesen Maskentypus zum ersten Mal, sei es im Bus, in der U-Bahn oder beim Einkaufen. Klagen über beschlagene Brillen und eingeschränkte Atmung begegnen einige Hersteller mit Maskenvarianten mit nochmals optimierter Passform im Kinn- und Nasenbereich, reguliertem Luftstrom gegen das Beschlagen von Brillen und mit einem besonders geringem Atemwiderstand – natürlich bei jeweils FFP-normgerechter Filterwirkung.
Auf die entsprechend erhöhte weltweite Nachfrage nach Masken im Zuge der Corona-Pandemie hat die chemisch-pharmazeutische Industrie sowie die Kunststoffindustrie mit dem spontanen Hochfahren ihrer Produktion reagiert. So hat etwa ein Hersteller in seinen Werken in den USA, Asien und Europa die Produktion von Masken auf 1,1 Milliarden verzweifacht und plant eine weitere Verdoppelung.
Die FFP-Masken bestehen aus drei oder mehr Lagen. In vielen Produkten übernehmen Gespinste aus ultrafeinen Polypropylenfasern die Filterung, die mit demselben Verfahren wie OP-Masken hergestellt werden. Bei der Herstellung wird das Polypropylen geschmolzen und extrem in die Länge gestreckt. Ein Gramm Polypropylen reicht dabei für eine Fadenlänge von bis zu zehn Kilometern, der Faden ist dabei bis zu 70-mal dünner als ein menschliches Haar! So entstehen Tausende ultrafeiner Fasern von 0,5 bis 1 Mikrometer Durchmesser, die sich – nach dem gezielten Einblasen von Luft – zum Vliesstoff verbinden. Dieses Material ermöglicht eine weitgehend freie Atmung und die gewünschte Filterwirkung. Auch sorgen bei den FFP-Masken elektrostatische Effekte für eine zusätzliche Filterung von Partikeln.
Schutzkleidung für das Fachpersonal

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Bei der Behandlung von Covid-19-Patienten gelten besonders hohe Sicherheitsstandards. Neben Atemschutzmasken, Handschuhen aus Kautschuk und Schutzbrillen aus Kunststoff kommen hier Ganzkörperanzüge zum Einsatz, die über Kapuzen und angenähte Socken verfügen.
Auch diese Anzüge bestehen aus Vliesstoff. Aus dem Kunststoff Polyethylen (PE) wird ein sehr dünnes, robustes Spinnvlies gezogen. Die hauchdünnen Fasern werden anschließend zu einer Membran verarbeitet. Das Besondere an Schutzanzügen aus diesem Material: Sie sind sehr leicht, weich und von außen wasserundurchlässig. Gleichzeitig sind sie atmungsaktiv, d. h. durch Schwitzen entstehender Wasserdampf kann entweichen. Durch diese Eigenschaften können die Träger des Anzuges ihrer Arbeit weitgehend uneingeschränkt nachgehen.
Die Chemiebranche hat auch hier die Produktion, sowohl der Spezialfasern und -geweben als auch der daraus gefertigten Schutzprodukte, deutlich heraufgesetzt. So hat ein großer Hersteller die Produktion in einem Werk komplett auf Schutzanzüge umgestellt und von 15 Millionen auf 30 Millionen Stück im Jahr erhöht.