Nachhaltige Städte und Gemeinden durch eine zukunftsweisende Flächenpolitik
Die Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen – wirtschaftlich, ökologisch und sozial – ist ein wichtiges Leitbild für die Politik in Deutschland und weltweit. Auch für die Unternehmen sind diese Ziele zentrale Orientierungsgröße. Wichtig ist allerdings, dass neben der Umwelt- und Sozialperspektive auch die Dimension der Betriebe ausreichend berücksichtigt wird. Denn der Einsatz für soziale und ökologische Ziele gelingt nachweislich im Umfeld einer tragfähigen Wirtschaftsstruktur besser als ohne funktionierende Wirtschaft. Gerade in Deutschland mit seiner spezifischen Unternehmensstruktur ist wirtschaftliche Nachhaltigkeit als ein auf Dauer ausgerichtetes Handeln stark verwurzelt. Die spezifischen Nachhaltigkeitsziele – die Sustainable Development Goals (SDGs) – der Vereinten Nationen bilden eine wichtige Orientierung auch für die europäische und deutsche Politik – sie anzustreben ist dabei zugleich gemeinsame Aufgabe vieler Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Als DIHK nehmen wir die Perspektive der Nachhaltigkeit auch vor dem Hintergrund unseres gesetzlichen Auftrags besonders ernst. Die Förderung der Idee der Ehrbaren Kaufleute ist eine traditionelle Aufgabe der IHKs und wichtiger Bestandteil des Markenkerns unserer Organisation.
Städte und Gemeinden müssen sich unter anderem mit den Herausforderungen des Klimawandels, zunehmender Ressourcenknappheit, Pandemien, dem demografischen Wandel, wachsenden Verkehrsströmen und Abfallmengen stellen. Darauf geht das SDG 11 „Nachhaltige Städte und Gemeinden – Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten“ ein. Ein Ziel, das auch aus Sicht der Wirtschaft von zentraler Bedeutung ist. So ist es etwa an Standorten der deutschen Chemieindustrie, beispielsweise dem Mitteldeutschen Chemiedreieck, im weltweiten Wettbewerb um Fachkräfte wichtig, dass es lebendige Städte im Umfeld gibt, in denen sich Familien wohlfühlen, Angebote wie Vereine, Sportstätten und Kultur vorhanden sind und eine persönliche Weiterentwicklung möglich ist.

Ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Fläche ist ein wesentlicher Bestandteil einer zukunftsweisenden Boden- und Flächenpolitik. Gewerbe, Industrie und Wohnen benötigen die knapp werdenden Flächen für ihre Entwicklung. Fachkräfte brauchen bezahlbaren Wohnraum, insbesondere in urbanen Bereichen ist dieser rar und wirkt sich somit auf die Verfügbarkeit von Fachkräften für Unternehmen aus. Parallel bedarf es aber auch Maßnahmen zur Sicherung und Schaffung von Flächen für Gewerbe- und Industrieunternehmen. Eine nachhaltige Brachflächenpolitik darf eben nicht nur Büro- und Wohnnutzungen in den Blick nehmen, für Brach- und Konversionsflächen müssen durchdachte Nutzungskonzepte her, die direkt nach Freiwerden der Areale umgesetzt werden können. Maßnahmen zur Eindämmung des Flächenverbrauchs dürfen wirtschaftliche Entwicklung nicht hemmen. Gerade wachsende, bereits dicht besiedelte Ballungsräume sind auf Kooperationen mit ihrem Umland angewiesen. Darüber hinaus gibt es aber viele weitere Ansatzpunkte, wie den Vorrang kreativer Lösungen beim Flächenausgleich oder die Novellierung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm, die zur Lösung von Konflikten zwischen Lärmschutz und heranrückender Wohnbebauung beitragen und somit Flächenknappheit reduzieren können.
Daneben sind schnelle und rechtssichere Plan- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturvorhaben, Gewerbe- und Industrieansiedlungen sowie für Industrieanlagen nicht nur ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Sie sind auch mit Blick auf die anstehenden Investitionen der Wirtschaft in Klimaschutz und Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit notwendig, um Veränderungen überhaupt in einem angemessenen Zeitrahmen vornehmen zu können. Dementsprechend gilt es, Planverfahren deutlich zu straffen, zu vereinheitlichen, zu digitalisieren und die Öffentlichkeit von Anfang an mit einzubeziehen und möglichen Konflikten durch einen frühzeitigen und kontinuierlichen Dialog zu begegnen.
Auch die Infrastruktur muss mit den gewachsenen Ansprüchen an Nachhaltigkeit mithalten. Jedoch beeinträchtigen Fahrverbote oder Einschränkungen des Individual- und gewerblichen Verkehrs die Erreichbarkeit vieler Unternehmen etwa in Innenstädten. Es ist richtig, dass die Politik Maßnahmen ergreift, Belastungen in Städten zu minimieren, aber nur solche, die die Mobilität insgesamt nachhaltiger ausrichten. So sollte sie verstärkt auf Technologien zur intelligenten Verkehrslenkung und -steuerung setzen, Angebote für die Vernetzung und bessere Auslastung der verschiedenen Verkehrsträger machen sowie Mobilitätsmanagement und Parkraumbewirtschaftung intensivieren. Die Einrichtung von Ladezonen ermöglicht Effizienzsteigerungen im Lieferverkehr und trägt dazu bei, Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden. Durch die Bereitstellung von Flächen für die Errichtung von City-Hubs und durch die Unterstützung des Einsatzes von Lastenrädern und elektrischen Kleinstfahrzeugen könnten Lieferverkehre in Innenstädten umweltfreundlicher abgewickelt werden. Zusätzlich benötigt der ÖPNV eine verlässliche Finanzierung für ein attraktives, klimafreundliches Angebot, aber auch eine effiziente Mittelverwendung. In Smart Cities und Smart Regions werden auf der Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien die Energiegewinnung und -nutzung mit Gebäude- und Verkehrsinfrastrukturen vernetzt, um erforderliche Effizienzsteigerungen zu ermöglichen. Deshalb kann ein Gesamtverkehrsmanagementkonzept, welches die Basis für einen reibungslosen Umstieg zwischen den verschiedenen Mobilitätsangeboten und eine funktionierende Innenstadtlogistik legt, dazu beitragen, die Attraktivität von Städten und Gemeinden für die Wirtschaft zu erhalten, lebenswerte Wohnräume in der Stadt zu gestalten und zur Nachhaltigkeit beizutragen.

@Werner Schuering
Der Autor
Peter Adrian ist seit 2021 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.
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